Christina Hoernicke übernahm von Hans-Peter Rupilius die Leitung des Regionalbüros in Managua. Wir baten beide zum Gespräch.
Pedro, was waren für dich besonders prägende Momente in deiner Karriere als Regionalleiter?
Hans-Peter Rupilius: Eines war die Erarbeitung einer Richtlinie bezüglich Agroökologie. Vor 6 Jahren waren wir hier in Wien und mussten unsere Mitgliedsorganisationen und unsere Leitung davon überzeugen, dass Klimawandel ein wichtiges strategisches Thema sein wird. Heute würde sich niemand zu sagen trauen, dass es kein wichtiges Thema ist. Damals war das noch anders. Das ist für uns einer der Erfolge, da haben wir etwas weitergebracht und programmatisch etwas entwickeln können.
Hin und wieder fragen mich Leute: „Jetzt gibt es so viele Jahre EZA, und was hat es gebracht?“. Wenn man sich bestimmte Bereiche, zum Beispiel die Frauenrechte anschaut – diese wären weder in Guatemala noch in Nicaragua oder in El Salvador so weit ohne die EZA. Strategische Partnerorganisationen wie die FEM oder die Colectiva Feminista in El Salvador haben tatsächlich etwas weitergebracht, da hat sich etwas verändert. Da hat sich auch im kollektiven Bewusstsein – auf Spanisch heißt es „Imaginario Social“ – etwas geändert. Das wäre ohne die EZA nicht passiert. Oder wenn man an indigene Rechte denkt. Wäre die EZA nicht dagewesen, wären diese sicher nicht dort, wo sie jetzt sind. Nämlich, dass die Indigenen heute auf ihre Rechte pochen können, weil sie einen Anspruch darauf bekommen haben. Und Klimawandel sowieso. Die Staaten verpflichten sich zwar, aber wenn wichtige Anpassungen passieren, dann hauptsächlich durch die Zivilgesellschaft – gerade in Zentralamerika. Der Trend wird nicht von den Staaten, sondern von den Menschen angegeben.
Das Tollste für mich – während meiner ganzen Zeit, auch als Fachkraft – war das interkulturelle Gesundheits- und Bildungsmodell für die Karibikregion, das wir entwickelt haben. Das inzwischen in Nicaragua gesetzlich verankert ist. Wir haben fast vier Jahre daran gearbeitet. Zusammen mit der ADA, bei der Christina damals war. Das war für mich persönlich zusammen mit der HIV/Aids-Arbeit eines der wichtigsten Themen, die ich bearbeitet habe. Damals hat mich das Gesundheitsthema auch sehr interessiert. Später haben wir uns immer weiter entfernt vom Gesundheitswesen. Mittlerweile machen wir keine Gesundheitsprogramme mehr, sondern Hygiene und Wasserprogramme, die auch gut laufen.
Wie ist die Übergabe der Regionalleitung verlaufen?
Hans-Peter Rupilius: Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir versuchen werden, so weit wie möglich einen fließenden Übergang zu ermöglichen. Christina ist seit März jeden Tag am Nachmittag ins Büro gekommen. Wir haben bestimmte Themen definiert, über die wir sprechen werden. Es war sozusagen ein Learning by Doing. So hat sie die inneren Prozesse unseres Büros kennengelernt. Danach wurden 6 Wochen lang Projektbesuche gemacht. Bis auf 2 bis 3 Ausnahmen wurden sämtliche Projekte besucht. Zum Teil gemeinsam mit Diego und Clemens. Jetzt sind wir hier, und es ist immer noch etwas im Tintenfass. Es gibt noch immer Themen, die noch nicht weitgehend besprochen werden konnten. Ich hatte den Vorteil, dass ich im Büro jahrelang gearbeitet habe und die Abläufe sehr gut kannte. Christina muss die Abläufe jetzt neu kennenlernen. Es geht gar nicht um das strategische Denken, oder um die EZA an sich. Sondern um die konkreten Abläufe in einer Mini-Organisation wie H3, wo sehr viel verzahnt ist und es viele verschiedene Aufgabenbereiche gibt. Ich nenne es gerne „Pinteria“ – also das Tagesgeschäft. Von Scheck ausfüllen, über zu schauen, wie es den Leuten geht und was sie machen, bis zu strategischen Aufgaben und Projektbegleitungen.
Kannst du kurz sagen, was ausschlaggebend dafür war, dass Christina den Job bekommen hat?
Hans-Peter Rupilius: Ich bin sehr froh, dass Christina es geworden ist. Da sie den Kontext der Entwicklungszusammenarbeit in Nicaragua, in Zentralamerika und auch die ADA und die ganzen Fördergeber kennt. Christina hat den großen Vorteil, dass sie sehr gut in Zentralamerika vernetzt ist und das ganze Geschehen schon seit Jahren kennt. Das kann man nicht an der Ecke kaufen, sondern das dauert, bis man das hat. Und bei dir Christina, dauert das halt nicht mehr. Ein Quereinsteiger hätte ein gutes Jahr – wenn nicht länger – gebraucht, um diese Kontakte zu knüpfen und die Prozesse zu verstehen.
Mit dir geht eine große Kapazität verloren in diesem Bereich.
Hans-Peter Rupilius: Natürlich, weil ich ein historisches Gedächtnis mitbringe. Aber das ist bei jedem Wechsel so. In Zentralamerika haben wir den Vorteil gehabt, dass es praktisch über 30 Jahre Kontinuität gab. Neben Doris war ich seit 20 Jahren dabei. Ich war jahrelang stellvertretend tätig. Ich hab übernommen, wenn Doris Wochen oder Monate weg war. Als Leiter musste ich dann lernen, mit dem Bankprogramm umzugehen. Der einzige Unterschied für mich war, dass ich nun auch Schecks unterschreiben oder mich um größere Aufgaben kümmern musste. Es war sehr angenehm, dass wir mit dem Team dort – trotz der vielen Kleinarbeit – strategisch denken und handeln konnten.
Christina, am 1. April bist du eingestiegen, wie fühlst Du dich?
Christina Hoernicke: Ich freue mich auf die neuen Herausforderungen, fühle mich motiviert, da ich wieder zurückkomme zu einer EZA, die basisnäher ist. Ich glaube das ist wichtig, vor allem im aktuellen Kontext in Zentralamerika. Die politischen Rahmenbedingungen insgesamt sind zur Zeit sehr kompliziert, sowohl in Nicaragua als auch in Guatemala – in El Salvador sowieso. Es gehört zu den gewaltbelastetsten Ländern des nördlichen Dreiecks – wie es die Amerikaner so schön bezeichnen. Ich versuche mit meiner Berufserfahrung, mit meinen Regionalkenntnissen und sicher auch mit meinen menschlichen Qualitäten eine gute Arbeit zu leisten und die herausragende Arbeit von Pedro in Zentralamerika fortzusetzen.
Worauf freust Du dich besonders?
Christina Hoernicke: Auf die Vielfalt der Tätigkeit, aber insbesondere auf die basisnahe EZA – das heißt im ständigen Kontakt mit der Zielbevölkerung zu sein. Nicht nur mit den Partnerorganisationen in den drei Ländern. Diese arbeiten ja in Nicaragua, El Salvador und Guatemala mit lokalen NGOs, die ihrerseits große Zielgruppen haben und auch permanent mit diesen Zielgruppen in Kontakt sind. Sie sehen damit die Problematik, der sich die verarmte ländliche Bevölkerung und die ausgegrenzte jugendliche Bevölkerung in ZA derzeit zu stellen hat. Nach Entwicklungsmöglichkeiten, nach Chancen zu suchen, um sich im Leben zu realisieren und ein würdiges Leben führen zu können. Ich denke, dass man dazu einen guten Beitrag leisten kann von kleinen Organisationen wie H3 aus, die gar nicht so klein sind. Unser Portfolio in ZA macht zur Zeit 4,5 Mio. Euro pro Jahr aus. Das ist nicht unerheblich. Das ist fast so viel wie wir bei der ADA hatten pro Jahr – da waren es 5 bis 7 Mio. Euro pro Jahr und auch in Luxemburg war es ähnlich. H3 hat also gar kein so kleines Budget.
Was war ausschlaggebend dafür, dass Du dich für diesen Job beworben hast?
Christina Hoernicke: Gefragt waren Management-Kapazitäten, Regionalkenntnisse, entwicklungspolitische Kompetenzen und Networking-Kapazitäten. Ich glaub das ist grundlegend wichtig, weil Zentralamerika ein soziales System ist, das gut im Networking ist. Man muss Leute persönlich kennen und an den persönlichen Beziehungen arbeiten, die gleichzeitig auch professionelle Kontakte einfacher machen. Es ist wichtig, informelle Kontakte zu pflegen und permanent daran zu arbeiten. Meine Familie hat ein mittelständisches Kulturunternehmen betrieben, ich war permanent besorgt, das Sponsoring zu beschaffen, dadurch habe ich mir über die Jahre gute Netzwerke aufgebaut. Ich glaube, ich bin der Sache gewachsen, dieses Erbe anzutreten und es würdig fortzuführen und auszubauen.
In Anbetracht der politischen Rahmenbedingungen läuft es ja relativ stabil im Regionalbüro.
Hans-Peter Rupilius: Die Leute sind schon betroffen und bedrückt. Angst ist ein Faktor, der uns täglich begleitet. Bei einigen Leuten herrscht Wut. Jemand hat gesagt, es ist wie ein Marathonlauf – es hört nicht auf, das geht noch eine Weile so. Man darf sich nicht daran gewöhnen, man darf die Lage nicht als normal ansehen, aber man muss auch überleben. Und Überleben geht nur, wenn man bestimmte Sachen als Regel empfindet. Das heißt nicht, sich nicht aufzuregen oder sauer zu sein, oder dagegenzusteuern. Unsere Hauptherausforderung ist es, trotz der Situation einen kühlen Kopf zu bewahren und weiterzuarbeiten. Auch wenn man und hin und wieder mit Partnern konfrontiert ist, die nicht genau deine Meinung teilen.
Christina Hoernicke: Ich glaub eine Herausforderung und gleichzeitig eine Möglichkeit ist es, nach Nischen zu suchen. Da wir zur Zeit mit Shrinking Spaces für die Zivilgesellschaft, also mit eingeschränktem Aktionsraum konfrontiert sind, bietet sich gleichzeitig die Möglichkeit, Nischen zu finden. Wie die Agroökologie, die Pedro schon erwähnte, Klimaschutz, Klimawandel – das sind Sektoren, in denen man etwas bewegen kann, und auch Menschenrechte am Ende mitanbinden kann, ohne dass man das offiziell sagt – sektorübergreifende Arbeit sozusagen.
Genau zu diesem Thema – da habt ihr ja das komplette Programm umstrukturieren müssen, oder?
Hans-Peter Rupilius: Unser Programm war eigentlich schon angepasst, da die Situation ja nicht neu ist. Vor 1,5 Jahren haben wir ein großes Projekt mit der EU zu indigenen Rechten aufgeben müssen, weil die Regierung (Anm.: in Nicaragua) das nicht wollte. Wir haben uns im Menschenrechtsbereich graduell auf die Bereiche Frauenrechte und Rechte von Jugendlichen eingeschossen. Auch ländliche Entwicklung war ein Thema. Dabei hauptsächlich die Thematik der Anpassung an den Klimawandel. Dadurch hatten wir relativ wenig Probleme. Einige unserer Partnerorganisationen haben sich zwar dazu geäußert, aber waren – unter Anführungszeichen – nicht an vorderster Front, die Regierung zu stürzen.Wir gelten nicht als Umstürzler wie andere Organisationen, die Diakonie zum Beispiel. Die Diakonie hat rein menschenrechtsverteitigende Organisationen unterstützt. Als die dann aufhören mussten, stand plötzlich auch die Diakonie im Kreuzverhör. Wenn 2 deiner Partnerorganisationen ihre Arbeit beenden müssen, ist der Geldgeber auch gefährdet. Die haben einen ganz anderen Stress als wir. Die werden im Büro angerufen, werden bedroht, Autos werden angemalt oder Reifen kaputt gemacht. Die Leiterin wird direkt bedroht. Das ist bei uns nicht der Fall gewesen. Für uns als Organisation ist es wichtig am Leben zu bleiben, damit wir weiter unsere Partnerorganisationen unterstützen können.
Da werdet ihr schon sehr viel darüber gesprochen haben. Christina, wie schätzt du die politische Zukunft in Nicaragua ein?
Christina Hoernicke: Ich glaube, momentan hofft die Bevölkerung auf vorgezogene Wahlen um der Geschichte ein Ende zu setzen. Die Regierung ist im Prinzip nicht regierungsfähig. Von dem Moment an, als ein Schießbefehl gegen die unbewaffnete Bevölkerung erteilt wurde, verlor die Regierung ihre Legitimität, der Druck von außen und innen ist sehr stark. Vor diesem Hintergrund ist es für mich eine Transitionszeit, eine Übergangszeit in ein neues und hoffentlich besseres Nicaragua. Die große Frage ist, wie lange es dauert. Und unter diesen Bedingungen muss man auch irgendwie existieren, wie Pedro schon sagte, man muss eben nach Spielraum suchen, nach Aktionsfreiräumen suchen, in denen wir existieren können und auch weiterhin unsere Zielgruppen unterstützen können. Im Prinzip geht es darum, auch in Zukunft die ländliche Bevölkerung in entlegenen Gebieten, die verarmte Bevölkerung und vor allem Jugendliche zu unterstützen, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern und das Recht auf ein würdiges Leben umzusetzen.
Gibt es ländliche Entwicklung nur mehr im Rahmen des Klimaschutzes?
Hans-Peter Rupilius: Ländliche Entwicklung kann nicht geschehen ohne die Anpassung an die sich verändernden Lebensbedingungen. Die Lebensbedingungen sind ja nicht nur das Klima, sondern die Veränderungen bedeuten auch, dass es zu Migrationen kommt, zur forcierten Migration, zu Landkonflikten – das ist alles ein Teil des Klimawandels. Zur Zeit spüren wir immer stärker, dass Mestizen aus dem zentralen Trockenkorridor in Nicaragua in die Karibik drängen, weil es dort regnet und man dort das Land bebauen kann. Aber zur gleichen Zeit auch, weil Großgrundbesitzer sie vertreiben. Das Vordrängen der Großgrundbesitzer gegenüber der indigenen Bevölkerung wird noch verstärkt durch den Klimawandel. Das heißt, der Klimawandel ist ein Aspekt, der in sämtlichen ländlichen Entwicklungen zu berücksichtigen ist. Und da sehen wir die Thematik der Agroökonomie als Instrument, um die Situation im Land zu stabilisieren. Damit die Leute bleiben, damit sie von dem, was sie produzieren, besser leben und essen können.
Christina Hoernicke: Es gibt verschiedene internationale Studien, die nachweisen, dass Zentralamerika durch den Klimawandel besonders gefährdet ist – zum Beispiel durch die Erderwärmung und das Ansteigen des Meeresspiegels.
Was ist in den anderen Sektoren geplant?
Christina Hoernicke: Die großen Themen sind Menschenrechte, Frauen und Kinderrechte. Indigene Rechte zusammen mit Frauenrechten in Guatemala. Ansonsten Gewalt, die Prävention von Gewalt gegenüber Frauen, aber auch die Gewalt unter Jugendlichen. Wir versuchen zum Beispiel auch in El Salvador mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die Möglichkeiten der Realisierung für Jugendliche schaffen, um Gewalt vorzubeugen.
Hans-Peter Rupilius: In Guatemala geht die Gewalt oft auch von den Großunternehmen aus – gegen Bauern und die indigene Bevölkerung. Da geht es um Landrechte, Wasser und Essen. Vor allem sind dies große, internationale Konzerne, wie Zement-, Bergwerke und Hydroenergiewerke, für die das Wasser abgegraben wird. Auch für die großen Zuckerplantagen wird den kleinen Bauern das Wasser weggenommen.
Pedro, was wünscht Du Christina?
Hans-Peter Rupilius: Auf jeden Fall, dass es ihr Freude macht und dass die Hürden als zu bewerkstelligende Aufgaben empfunden werden. Dass sie in zwei Bereichen Erfolg hat, wo ich es in meiner Zeit nicht geschafft habe. Das eine ist der Arbeitsbereich Frauen, die Gewalt erfahren haben. Also nicht legale Situation, sondern wie werden sie in ihrem Leben damit fertig. Man muss bedenken, 30 Prozent aller Frauen haben vor ihrem 18. Lebensjahr sexuelle Gewalt erfahren und 60 Prozent während ihres Lebens. Wahrscheinlich ist der Prozentsatz noch höher. Wie geht man damit um, damit diese Personen mit ihrem Schicksal leben können. Das ist ein sehr interessanter Themenbereich, in dem wir nicht viel erreicht haben. Und ein weiterer Bereich ist die Arbeit mit der LGBTIQ Gemeinschaft. Das ist ein Personenkreis, der wirklich unter sehr menschenrechtsunwidrigen Bedingungen in Zentralamerika lebt. Und es ist sehr schwierig mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gibt Organisationen, aber das Umfeld ist schwierig und sehr komplex. Aber ich finde, das ist eine der am stärksten marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Natürlich unterschiedlich marginalisiert. Ein Transsexueller wird anders diskriminiert als eine lesbische Frau oder ein schwuler Mann. Insgesamt ist es eine Gruppe, die sehr stark diskriminiert wird und ich glaube, dass wir hier einen Beitrag leisten sollten.
Und allgemein für die Arbeit in der EZA: Der Spaß ist mit Erfolg gekoppelt und der Erfolg ist mit dem Spaß an der Arbeit gekoppelt. Ich glaube es ist ein menschwürdiger Job. Man macht Sachen, die gut sein sollen. Von daher bin ich froh, dass Christina meine Nachfolgerin geworden ist. Ich weiß, dass sie weiter an diesem Thema arbeiten wird. Sie ist für HORIZONT3000 die bestemögliche Nachfolge gewesen.
Christina, was wünscht du Pedro?
Christina Hoernicke: Viel Spaß in der Pension. Ein gutes Leben, noch viele Jahre Gesundheit und dass du in Malaga das Leben genießen kannst. Gleichzeitig du mir aber auch weiterhin zur Verfügung stehst ((lacht) – z.B. für für EU-Vollanträge, was natürlich sehr viel Arbeit ist. Es kommt alles zusammen. Der Übergang, meine Übernahme. Ich muss mich erst einmal einarbeiten. Denn selbst, wenn ich die Organisationen durch und durch kenne, das Portfolio ist groß. Am Ende ist es auch viel Kleinarbeit, viele Details. Und somit glaube ich, ist es schon auch eine große Herausforderung und es würde mir sehr entgegenkommen, wenn uns Pedro mit seiner Erfahrung noch unterstützen könnte. Das Regionalbüro hat im Tandem mit Diego wirklich ganz viel geleistet.
Hans-Peter Rupilius: Genau, wir müssen jetzt unbedingt 2019 und 2020 ausnützen, weil sonst gibt es 2021 ein Loch. Und das können wir uns nicht leisten. Wenn wir trotzdem hineinfallen, können wir zumindest sagen, wir haben alles uns Mögliche gemacht, um es zu vermeiden.
Christina Hoernicke: Das Büro in Zentralamerika hat immer eine Vorreiterrolle gehabt, die hier auch immer wieder erwähnt und angepriesen wird. Ich muss es schaffen, das beizubehalten und das ist eine große Herausforderung. Es ist gut, auf ein langjähriges, erfahrenes Team zählen zu können, das sich wirklich auskennt und verlässlich ist.
Hans-Peter Rupilius: Das kommt in den nächsten Jahren auf dich zu: Ein langjähriges, aber doch auch älteres Team zu ersetzen und aufzubauen durch neue Leute. Ich glaube das ist die größte Herausforderung in Zentralamerika.
Christina Hoernicke: Genau. Wir gehören zu den ältesten Teams, aber das ist am Ende auch ein Asset. In einer Übergangsphase auf so ein Team zählen zu können, ist von Grund auf wichtig und erleichtert die Arbeit. Ich freue mich darauf und bin motiviert mit den Frauen zu arbeiten. Wir sind ja ein komplett weiblich besetztes Team im Büro in Managua.
Pedro, was machst du dann eigentlich in Malaga den ganzen Tag?
Hans-Peter Rupilius: Ich möchte weiterhin beratende Funktionen wahrnehmen und schon irgendwie in Kontakt mit Zentralamerika bleiben und werde das auch tun. Die erste Zeit werden meine Partnerin und ich damit verbringen uns einzuwohnen und einzurichten – das dauert sicher 3 bis 4 Monate. Danach habe ich vor, mit unserer Zeit in Zentralamerika abzurechnen bzw. ins Klare zu kommen. Ich möchte die Zeit für mich persönliche aufarbeiten – in welcher Form steht noch nicht fest.
Neben der Entwicklungspolitik interessiert mich auch Geschichte. Und da vor allem die spanische, lateinamerikanische und maurische Geschichte. Also das ganze Zusammenspiel der Kulturen und die Nachwehen, die immer noch da sind. Malaga war lange maurisch und die letzte Stadt, die gefallen ist, 1482.
Von daher ist einigermaßen was zu tun. Und dann möchte ich einfach das machen, was ich jahrelang nicht geschafft habe. Einfach aufstehen und nichts tun. Sich wegbewegen von dem Thema „man muss jeden Tag etwas tun“. Zum Beispiel mich in eine Hängematte legen und ein Buch lesen. Das war die letzten 40 Jahre praktisch nicht möglich. Selbst der Urlaub wird dann zu einem Aktivurlaub. Du musst Freunde und Familie besuchen – du bist verplant. Es geht nicht, dass man einfach ungeplant etwas macht, zum Beispiel ins Museum oder zu einem Konzert zu gehen. Einfach Zeit für mich zu haben. Ich habe 1976 angefangen zu arbeiten, immer im Bereich Dienstleistungen. Also immer etwas für andere getan. Dennoch habe ich keine Angst vor dem Koller, nichts zu tun zu haben.
Das Problem bei mir war, dass die Arbeit mein Hobby war. Es hat kaum einen Tag gegeben, wo ich nicht zur Arbeit gehen wollte. Es gab natürlich Momente, die eng waren – in denen man erst einen Weg finden musste. Ich habe gelernt, nicht Probleme, sondern Lösungen zu suchen. Und das gibt einem viel Energie und Zufriedenheit.
Oft fühlt man sich wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn. Man selbst sitzt in einem VW und auf der anderen Seite kommen dir nur Lastwagen entgegen. Und das ist in der EZA oft so. Aber wenn man sich überlegt, hat sich doch einiges geändert und man hat doch einiges ausgelöst. Diese Dinge zu sehen und zu finden ist wichtig – nicht als Legitimation für deinen Job, sondern um zu sehen, dass es sich lohnt. Zum Beispiel das Thema Frauenarbeit, das ich vorher erwähnt hatte – was da die EZA bringt. Oder was es einem Individuum bringt. In den 1990er Jahren haben wir in der Karibikregion eine Universität aufgebaut. Die Leute waren skeptisch – warum brauchen wir eine Universität? – die Leute können nicht einmal lesen und schreiben? Ja, gerade deswegen brauchten wir eine Uni, damit es Lehrer gibt. Heutzutage sind sämtliche Angestellte der Regionalregierungen keine Eingereisten, sondern lokale Leute. Und das verdanken wir den Universitäten, zu denen H3 und die ADA damals beigetragen haben.
Christina Hoernicke: Und jetzt werden vor Ort sogar Ärzte und KrankenpflegerInnen ausgebildet. Es muss niemand mehr in Leon studieren und kommt vielleicht nie mehr zurück. Jetzt können vor Ort Fachkräfte ausgebildet werden. Es gab eine Studie die zeigt, dass 95 % der Studienabgänger nach dem Studium an einer Universität in der Karibikregion einen Job bekommen.
Hans-Peter Rupilius: Solche Ergebnisse zeigen, dass es etwas bewirkt hat und machen stolz.
Christina Hoernicke: Ich glaube es ist wichtig, dass HORIZONT3000 einen Ansatz hat, der Prozesse begleitet. Also nicht nur punktuell kleine Entwicklungsprojekte umsetzt, sondern wirklich Organisationen über Jahre hinweg in ihrer Kapazitätsentwicklung, dem Empowerment begleitet und ihnen damit auch Fähigkeiten übermittelt, die später fortbestehen und nachhaltig sind. So kann man wirklich auch Nachhaltigkeit gewährleisten.
Euer Schlusssatz?
Hans-Peter Rupilius: Ich wünsche Christina das Beste. Weil wenn es dir gut geht bei dem was du tust, dann geht es mir auch gut. (lacht)
Christina Hoernicke: (lacht) Ich wünsche dir auch das Beste. Und dass dein Wecker nicht mehr klingelt am frühen Morgen. Ich denke, dass die erwähnte Transitionszeit in Zentralamerika auch eine Saatzeit ist. Man sät momentan das aus, was man in der Zukunft ernten will.
Hans-Peter Rupilius: Ja, die Bewegung bei den Jugendlichen ist enorm.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über Hans-Peter Rupilius:
Im November 2011 übernahm Hans-Peter Rupilius das Regionalbüro von HORIZONT3000 in Managua. Davor war er jahrelang als Fachkraft und später dann in verschiedenen Funktionen im Regionalbüro tätig, bis er 2011 schließlich die Leitung übernahm. 2012 führte er die bereits von seiner Vorgängerin eingeleitete Regionalisierung des Büros weiter (Ausweitung der Büroaktivitäten auf Guatemala und El Salvador, da diese Länder bis dahin direkt von Wien aus geleitet wurden). Der Stabilität des seit über 15 Jahren gemeinsam arbeitenden Teams in Managua und auch der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Wiener Büro hat diese Phase sehr erleichtert.
Über Christina Hoernicke
Christina Hoernicke ist Deutsche, die seit mehr als 30 Jahren in Managua lebt. Sie hat ein entwicklungspolitisches Studium in Louvain la Neuve in Belgien absolviert und war insgesamt über 20 Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit tätig, größtenteils auf bilateraler Ebene, unter anderem auch 12 Jahre für die Austrian Development Agency (ADA). Zunächst als Sektorreferentin für soziale Projekte, dann als stellvertretende Büroleiterin und am Ende hat sie das Phasing Out des Regionalbüros der ADA in Zentralamerika begleitet. Dadurch hatte sie einiges mit HORIZONT3000 und auch Hans-Peter Rupilius zu tun, da auch damals bereits ein großer Teil der Portfolios der ADA in Zentralamerika über HORIZONT3000 umgesetzt wurde. Darunter große Finanzierungsprojekte wie ein Gesundheitsprojekt mit einem Budget von mehr als einer Million Euro pro Jahr, das ADA (Christina) und HORIZONT3000 (Hans-Peter) umgesetzt haben. Nach 5 Jahren Mitarbeit bei der Luxemburger Entwicklungszusammenarbeit ist es für Christina ein Heimkommen in die österreichische Entwicklungszusammenarbeit.