Corona machte auch deinem Einsatz einen Strich durch die Rechnung. Du musstest vorzeitig zurück, eine Rückkehr war nicht mehr möglich. Wie fühlst du dich damit?
Eva: Die Situation war schon eine Herausforderung für mich. Ich habe Guatemala beinahe fluchtartig verlassen, als es so aussah, als ob nach dem Flughafen auch die Landesgrenze nach Mexiko langfristig geschlossen wird. So blieb keine Zeit, mich zu verabschieden und ich musste einiges zurücklassen. Niemand hat damit rechnen können, dass sich die Lage in Lateinamerika derartig zuspitzt. Ich dachte eigentlich, ich würde bald wieder an den Einsatzort zurückkehren können und dort weitermachen, wo ich aufgehört hatte. Doch nicht nur die Voraussetzungen für eine Rückkehr waren mit der Auflösung meines Vertrages nicht mehr gegeben, auch die Bedingungen vor Ort haben sich stark verändert.
Die Monate der Unsicherheit hier in Österreich, ohne festen Wohnsitz, im Homeoffice und gedanklich noch in Guatemala waren schwierig, aber ich versuche die Enttäuschungen als Lernerfahrung zu verbuchen.

War dein Zeit im Einsatz so, wie du dir die Sache davor vorgestellt hast?
Eva: Im Großen und Ganzen schon, natürlich gab es auch Überraschungen – doch ich habe mich gut vorbereitet gefühlt und konnte mit den meisten Schwierigkeiten umgehen. Ich denke, dass die 2 Jahre Einsatz ein guter Zeitraum sind, um sich gut einzuleben und einzuarbeiten und um nachhaltige Resultate zu erzielen. Ich habe autonom gearbeitet, als Flying-TA habe ich mehrere Partnerorganisationen beraten, diese Vielseitigkeit hat mir sehr gut gefallen. Allerdings war vieles noch in der Planungsphase und besonders, wenn man nicht an eine einzelne Partnerorganisation angeknüpft ist, braucht es vielleicht etwas mehr Zeit, um intensivere Kontakte zu knüpfen und so auch das notwendige Vertrauen aufzubauen. Der Einsatz war einfach zu schnell wieder vorbei.
Was bleibt von deiner Arbeit vor Ort übrig?
Eva: Es bleiben gemeinsam entwickelte Medienprodukte wie Websites und Videos, Redaktionspläne und Ideen für die Weiterentwicklung von Kommunikationsstrategien sowie Manuals und Schulungsmaterialien. Aber in erster Linie bleiben mir die Erinnerungen und die geknüpften Kontakte und Freundschaften.
Deine größte Herausforderungen, Hindernisse, Probleme?
Eva: Die coronabedingte Abreise hat alles überschattet, die größte Herausforderung für mich persönlich war, es zu akzeptieren, dass ich aus der Ferne und mit so wenig Zeit die begonnenen Projekte und Prozesse nicht beenden konnte. Es war für mich schwierig mit dem Gefühl, die MitarbeiterInnen in den Partnerorganisationen „im Stich zu lassen“ und mit der immer mehr schwindenden Hoffnung wieder zurückzukehren, umzugehen. Meine Aufenthaltsgenehmigung bzw. das Fehlen der selbigen hat mich sehr lange und intensiv beschäftigt.
Das Thema Gendergleichstellung war auch sehr präsent, es ist immer wieder eine Herausforderung mit Sexismus umzugehen, vor allem wenn er in Situationen auftaucht, wo man ihn gerade nicht erwartet. Auch wenn es schmerzhaft ist, macht es Sinn zu versuchen, die eigenen blinden Flecken zu erkennen und daran zu arbeiten.
Was hat dich am meisten persönlich bewegt?
Eva: Die Kraft und Ausdauer der Menschen am Altiplano, die das Land teilweise unter widrigsten Bedingungen in über 2000 m Seehöhe bewirtschaften. Der Aktivismus und die Leidenschaft dafür, sich in der Zivilgesellschaft zu engagieren, um Veränderungen zu bewirken, sei es in der Landfrage, im Kampf um den Zugang zu Ressourcen, für die Rechte der Indigenen, für die Gleichstellung der Frauen oder im unermüdlichen Einfordern der Menschenrechte und dem Aufdecken von Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung der VerteidigerInnen für Menschenrechte hat mich am meisten persönlich bewegt.
Was nimmst du als Lernerfahrung mit nach Hause?
Eva: Auf der fachlichen Ebene habe ich einige Skills weiterentwickeln können, auf der persönlichen Ebene haben vermutlich noch mehr Lernerfahrungen stattgefunden.
Was gibst du neu Ausreisenden als Ratschlag mit auf den Weg?
Eva: Bleibt offen für Unerwartetes, nehmt nichts als gesichert an, reist mit leichtem Gepäck und genießt die Zeit vor Ort jeden Tag als ob es der letzte wäre.
Über Eva Gaderer
Die Salzburgerin Eva Gaderer studierte Kommunikationswissenschaft und absolvierte einen Masterlehrgang in Global Citizenship Education. Sie war viele Jahre an einem Forschungszentrum der Universität Salzburg in der Öffentlichkeitsarbeit und Administration tätig und hat von 2014 bis 2017 als internationale Projektkoordinatorin ein Projekt der Österreichischen
Entwicklungszusammenarbeit in Nicaragua betreut. Sie betreibt eine Online-Info-Plattform für Freiwilligenarbeit im Ausland und ist
Miteigentümerin eines Reiseveranstalters für nachhaltige Reisen in Lateinamerika. Die letzten Jahre lebte sie vorwiegend in
Nicaragua und Panama.
Ziel des Einsatzes war die Verbesserung der Qualität der Öffentlichkeitsarbeit der Partnerorganisationen von HORIZONT3000 in
Guatemala, El Salvador und Nicaragua.