von Juan Carlos López Mairena
Die Liebe in den Zeiten des Covid-19
In Anlehnung an den Roman „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ von Gabriel García Márquez lautet das Motto der nicaraguanischen Regierung zur Bekämpfung der Pandemie „Die Liebe in den Zeiten des Covid-19“.
Für die Länder, in denen wir arbeiten, ist es erheblich schwieriger adäquate Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Covid-19 zu treffen als in Europa, es ist aber nicht unmöglich.
Die nicaraguanische Regierung zwischen Untätigkeit und Förderung der Ausbreitung
Seit Anfang der Pandemie stellt Rosario Murillo, Vizepräsidentin, Regierungssprecherin und Gattin des Präsidenten Daniel Ortega klar, dass es in Nicaragua keine Quarantänemaßnahmen gibt und es auch nicht geben werde. Auch sollten die Grenzen nicht geschlossen werden. Beides wird bis heute durchgehalten. Die Gesundheitsbehörden messen jedoch an den Grenzen die Temperatur der Reisenden, was vollkommen unzureichend ist.
Die einzige Empfehlung der Regierung für die Bevölkerung ist das wiederholte Händewaschen. Nur sind wir gerade in der Trockenzeit und an vielen Orten gibt es kaum genug Wasser zum Trinken. Anstatt die Bevölkerung aufzufordern, den Individualabstand zu vergrößern, organisiert die Regierung Massenveranstaltungen und ruft die Bevölkerung dazu auf, in der Osterwoche an den Strand zu fahren. Das Volk soll sich tummeln und vergnügen. Entgegen der Gewohnheit, wurde seit fast einem Monat kein Mitglied der Ortega-Murillo-Familie bei Massenveranstaltungen gesehen. Die einzige Verbindung zwischen Regierenden und Regierten sind die täglichen telefonischen Ansprachen der Vizepräsidentin ans Volk.
Eine Schließung der Schulen und Universitäten wird nach wie vor kategorisch abgelehnt. Jedoch erschienen in den drei Wochen vor den Osterferien in den meisten Schulen weniger als 10 % der SchülerInnen zum Unterricht. Selbst LehrerInnen lassen ihre Kinder daheim. Mit Druck und Hausbesuchen sollen die Eltern überzeugt werden, ihre Kinder wieder zur Schule zu schicken. Das änderte aber nichts. Die private Nicaraguanisch-Deutsche-Schule, an der mehr als 20 Enkelkinder der Ortega-Murillo-Familie unterrichtet werden, hat vor drei Wochen auf Internetunterricht umgestellt. Niemand von ihnen hat darauf bestanden, den Präsenzunterricht beizubehalten.
Mundschutz zu tragen ist so etwas wie eine subversive Aktion. TaxifaherInnen wurden seitens der Polizei aufgefordert ihren Mundschutz abzunehmen und dem medizinischen Personal in den Krankenaufnahme ist aufgefordert, keine Schutzkleidung zu tragen, um keine Hysterie ausbrechen zu lassen.
Alles Böse kommt von außen
Nach Angaben des Gesundheitsministerium wurden in Nicaragua bisher sieben Personen positiv getestet; angeblich alles importierte Fälle. Keiner wurde direkt an der Grenze abgefangen. Alle kehrten zu ihren Familien zurück und hatten mit anderen Personen über Tage Kontakt bis sich die Symptome bemerkbar machten. Wundersamerweise fielen alle Tests der Kontaktpersonen nach Angaben der Gesundheitsbehörden negativ aus. Bei den täglichen Pressekonferenzen des Gesundheitsministeriums werden lediglich regierungsnahe und staatliche Medien zugelassen. Sie sind allesamt von Kindern des Präsidentenehepaars kontrolliert und stellen keine (unbequemen) Fragen. Der Pressesprecher des Ministeriums wiederholt mantramäßig, dass es nur importierte Fälle gebe und keine Ansteckungen im Lande.
Jedoch erklärten Angehörige des sechsten positiv Getesteten, er wäre nie im Ausland gewesen. Das kubanische Ministerium für Öffentliche Gesundheit meldete bisher drei positiv getestete Personen, die sich in Nicaragua angesteckt hätten.
Vor wenigen Tagen kritisierte die amerikanische Unterabteilung der WHO, die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) das Krisenmanagement der nicaraguanischen Regierung scharf. Die PAHO geht davon aus, dass die Infektionszahlen in Lateinamerika ab Mai sprunghaft steigen werden. In Nicaragua droht die Gefahr der Wiederholung dessen, was in Guayaquil, Ecuador passierte: Leichen, die wegen der überforderten Gesundheitsinfrastruktur und der Angst der BestatterInnen auf die Straße geschmissen werden.
Die Bevölkerung nimmt ihr Schicksal so weit es geht selber in die Hand
Angesichts der Untätigkeit, beziehungsweise kontraproduktiven Maßnahmen der Regierung, orientiert sich ein großer Teil der Bevölkerung an den Nachbarländern. Wer es sich leisten kann, begibt sich in Selbstquarantäne. Restaurants, Discos und andere Einrichtungen sind geschlossen oder haben nur sehr wenige KlientInnen. Kaum noch jemand verirrt sich in die Einkaufszentren. Einige Unternehmen, wie etwa Callcenter und NGOs haben so weit es geht auf Home-Office umgestellt. Auch nimmt der zivile Ungehorsam zu. Wie bereits beschrieben, schicken die meisten Eltern ihre Kinder nicht mehr zur Schule.
Ein sehr großer Teil der Bevölkerung lebt jedoch von der Hand in den Mund und muss sich folglich täglich und ungeschützt der Ansteckungsgefahr aussetzen.
Auswirkung auf EZ und unsere Arbeit
Natürlich wirkt sich die Pandemie direkt auf die Entwicklungszusammenarbeit aus. Sicherlich können einige Aufgaben per Home-Office durchgeführt werden. Der Erfolg der Arbeit der BeraterInnen steht und fällt mit der direkten persönlichen Zusammenarbeit der Counterparts und Zielgruppen.
Da sich der Präsident des Landes bisher noch kein einziges Mal wegen Corona-Krise der Bevölkerung gezeigt hat und niemand der Präsidentenfamilie öffentlich auftritt, kursiert hier der Spruch: Sé como Ortega. Quedate en casa. – Sei wie Ortega. Bleib zuhause.
Massenveranstaltung fürs Volk unter dem Motto: „Die Liebe in Zeiten des Covid-19“ Ringelpietz mit Anfassen zur Pandemieeindämmung.
https://www.el19digital.com/galerias/ver/titulo:1823-homenaje-postumo-al-companero-jacinto-suarez
Quelle: Trauerfeier für einen Abgeordneten mit hochrangigen Teilnehmern – mit Sicherheitsabstand