Die Entwicklungszusammenarbeit steht vor Gericht. Erstmals gibt es in der Sendung „Hörbilder“ auf Ö1 für ZuhörerInnen die Möglichkeit via Online-Voting über den Ausgang des Prozesses gegen die EZA zu entscheiden!
Entwicklungszusammenarbeit wirkt und zwar positiv und nachhaltig sagen die einen. Eine Hilfsmaschinerie die Abhängigkeiten, Misswirtschaft, Korruption und Paternalismus begünstigt, sagen Kritiker.
„Machen wir doch der gesamten Entwicklungszusammenarbeit den Prozess“, dachten sich Friedbert Ottacher und Thomas Vogel 2014 anlässlich der österreichischen Entwicklungstagung, bei der sie nicht die tausendste Powerpointpräsentation oder Podiumsdiskussion zu diesem Thema veranstalten wollten. Sie experimentierten mit einem Prozessformat, es sollte etwas Neues, etwas Cooles sein und das wurde es auch. Bis dato haben die beiden gemeinsam mit Johanna Mang (im Prozess Richterin) und vielen geladenen ZeugInnen 8 mal das Feld der EZA von innen aufgerollt, zerpflückt und vor allem versucht, Interesse bei Menschen außerhalb der „EZA-Blase“ zu erzeugen.
Wir hatten das Vergnügen mit Thomas und Friedbert über dieses Konzept und die dahinterliegenden Ideen zu plaudern:
Gleich mit der Tür ins Haus: in welcher Sendung und wann wird der Prozess gesendet?
Friedbert: Der Prozess wurde diesmal als Hörspiel aufbereitet und wird in der Sendung Hörbilder, am 28.10. um 9:05 ausgestrahlt. Auch für Ö1 ist es eine Premiere, da erstmals das Publikum live eingreifen kann. Es wird den Vormittag über gevotet, um 11:58 vor dem Mittagsjournal wird dann das Urteil verkündet!
Wer ist Eure Zielgruppe für Veranstaltungen?
Friedbert: Bildungseinrichtungen, die entwicklungspolitische Stellen von Landesregierungen, Gemeinden, Caritas, grundsätzlich aber alle Menschen die Entwicklungspolitik mal anders erleben wollen. Weil jede Aufführung einzigartig ist – die ZeugInnen kommen immer aus der Region – ist es für das Publikum doppelt spannend weil sie bekannte Gesichter auf der Bühne sehen. Die nächste Aufführung findet übrigens am 27. November in Bregenz statt!
Wie kommt man auf die Idee, die Entwicklungszusammenarbeit vor Gericht zu stellen?
Thomas: „Entstanden ist dieses Konzept für die Entwicklungstagung 2014 in Salzburg. Da wurden Friedbert und ich gebeten ein Modul für entwicklungspolitische Bildung – über Pro und Contra in der EZA, die Wirksamkeit der EZA – zu machen. Normalerweise gibt es bei solchen Tagungen Präsentationen und Podiumsdiskussionen. Wir hatten nach einigen Jahren gemeinsamer Lektorentätigkeit an der Universität Wien bemerkt, dass du mit dem Gängigen nur an die Leute in der EZA-Blase herankommst, die Leute auf der Straße verstehen nicht einmal wovon du redest. Und da haben wir uns gedacht wir brauchen was wirklich Cooles, was Unterhaltsames und ich kannte von früher ein Format im Fernsehen wo eine strittige Problematik als Prozess inszeniert wurde und so habe ich Friedbert vorgeschlagen: ‚Komm lass uns eine Art Improvisationstheater aufziehen: Wir bringen die Entwicklungszusammenarbeit auf die Anklagebank!‘ Damals war noch nicht so klar wer was macht, wir brauchten eine Anklage und eine Verteidigung.
Wie hat sich die Rollenverteilung ergeben?
Friedbert: Eigentlich müssten wir beide Rollen spielen können, ich fühle mich in der Rolle des Anklägers aber viel wohler, weil ich viele Praktiken in der EZA sehr kritisch sehe.
Thomas: Und mir liegt die Verteidigung, da ich – zwar nicht zu 100% und in allen Bereichen – aber doch sehr davon überzeugt bin, dass die Arbeit die wir machen eine Gute ist. Wir sind uns über Dinge die falsch laufen einig, aber ich brenne grundsätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit mit allen positiven und negativen Aspekten. Der Prozess – wie wir ihn jetzt eingespielt haben, mit Gags und bestimmten bewährten Dynamiken – funktioniert und das Publikum hat einfach mehr davon, wenn jeder die Rolle spielt, die ihm besser liegt.
Die Rolle der Richterin ist mit Johanna Mang, die im „echten“ Leben Geschäftsführerin von LICHT FÜR DIE WELT Österreich ist, perfekt besetzt. Sie strahlt eine extreme Seriosität und Autorität aus. Sie schafft es wirklich zu jeder Sekunde den Saal voll im Griff zu haben und auch einzuschüchtern (lacht), droht Saalräumungen an, ja das hat auch eine gewisse Note.
Das heißt, ihr habt euch professionalisiert, seid besser geworden?
Friedbert: Wir sind nach wie vor eine Amateurtruppe im schauspielerischen Sinn, aber was die Dramaturgie betrifft lässt sich eine gewisse Routine nicht leugnen, wir haben es jetzt schon acht mal gespielt.
Ändert sich das Konzept je nach eingeladenen Gästen?
Friedbert: Die Zeugen spielen sich selbst, z.B. eine Projektmanagerin bei einem Hilfswerk, junge Freiwillige, kritische JournalistInnen, Diaspora-Zugehörige und Menschen aus dem kirchlichen Bereich die sich engagieren. Schwierig ist es Kritiker zu finden – und noch schwieriger ist es, jemanden zu finden, der die EZA komplett ablehnt, das war am ehesten noch Hans Stoisser (Autor des Buches „Der schwarze Tiger“).
Thomas: Also ich würde sagen, es gibt in der Bevölkerung ganz sicher viele, die Entwicklungszusammenarbeit ablehnen. Aber so wie die Veranstaltung aufgezogen wird, nämlich dass eine EZA-affine Organisation hier zum Diskurs einlädt, da kommt die Hardcore Anti-EZA-Truppe gar nicht, die radikal Ablehnenden sind in unserem Publikum selten vertreten.
Würdet ihr für eine Anti-EZA-Truppe auftreten?
Friedbert: Selbstverständlich. Wir laden aber keine Parteipolitiker als ZeugInnen – dort würde man im rechten Spektrum sicher fündig werden. Ich bin sehr gespannt wie die Abstimmung auf Ö1 am kommenden Samstag ausgeht, da ist das Publikum viel größer und diverser als bei unseren Aufführungen.
Thomas: Bisher war es immer so, dass die Verteidigung gewonnen hat, aber das liegt schon stark daran, dass die Leute die kommen, der EZA gegenüber grundsätzlich positiv gesonnen und offen eingestellt sind.
Was lernt man dabei?
Thomas: Wir nehmen aus jedem Prozess einiges mit, der Lehrende soll ja auch immer Lernender sein und umgekehrt und ich bin der Meinung, dass wir vom Gericht das größte Potential haben zu lernen weil wir einen Raster entwickelt haben, der natürlich wieder überprüft werden muss.
Friedbert: Die ZuhörerInnen bekommen ein Bild der Pros und Contras geliefert und können so Zusammenhänge aus Sicht verschiedener AkteurInnen und ExpertInnen verstehen. Spannend und informativ für jede/n!
Viel Erfolg Euch beiden bei der Verhandlung!