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Malaria, Ebola und die Gefahren des Reisens


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Dr. Kristina Keitel ist Kinderinfektiologin am Boston Children’s Hospital – Harvard Universität und arbeitet derzeit mit dem Schweizer Tropeninstitut (Swiss TPH) in Dar Es Salaam an einem „Projekt zur Verbesserung der Behandlungsstrategien für Fieber bei Kindern“. Die 33-jährige Frankfurterin hat schon in der Schule gewusst, dass sie Kinderärztin werden möchte, ihr Fachgebiet Infektiologie faszinierte sie und brachte sie in viele unterschiedliche Länder in Ostafrika, unter anderem Ruanda, Kenia und Tansania.

Martina: Kristina, ich werde immer wieder gefragt, wie eine „gute“ Reiseapotheke für Ost-Afrika auszusehen hat – hast du da einen Tipp für mich?

Kristina: Eine „gute“ Reiseapotheke sollte im Wesentlichen folgende Dinge beinhalten:

  • persönliche Medikamente
  • Fieberthermometer
  • Malaria-Phrophylaxe (z. B. atovaquone/proguanil* oder mefloquine*)
  • Malariaschnelltest, eventuell Malariamittel (Artemeter/Lumefantrin*) bei Reisen in abgelegene Regionen, vorher unbedingt mit dem Arzt absprechen
  • Antihistaminika*, starke Allergiker sollten unbedingt ihren Epipen o.ä. mitführen
  • Desinfektionsmittel*, Antibiotikasalbe*
  • Verbandszeug* (Mullbinden, Pflaster, Blasenpflaster). Schere, Pinzette
  • Kontaktlinsen und -flüssigkeit  und alles, was damit zu tun hat
  • Fiebermittel wie Paracetamol, Ibuprofen
  • evtl. Antibiotika gegen Reisedurchfall (Makrolid oder ciprofloxacin*)
  • Feuchte Toiletttücher
  • Mittel zur Behandlung von vaginalen Pilzinfektionen – durch das feuchte Klima kommt das hier häufiger vor – z. B. Fluconazol
  • Wasserreinigungstabletten (aber ich hab die auch noch nie gebraucht)
  • Verhütungsmittel*
  • Sonnencreme* (20 plus) und
  • Moskito-Repellent (alles mit zumindest 40% Deet)
  • (Anm. Artikel mit (*) sind in gut sortierten Apotheken in Dar es Salaam zu erhalten und dort oftmals billiger)
  • Generell sollte man aber immer mit seinem behandelnden Arzt die Reiseapotheke planen. Zusätzlich sollte man eine gute Reiseversicherung haben und alle Notfallnummern bei der Hand. Sicher ist sicher. Gerade bei Verkehrsunfällen wäre das wichtig.

Martina: Ok, da hab ich gleich noch ein paar Fragen: Ich sprühe mich fleißig mit einem Citronella-Zeug namens „Pico“ ein (erhältlich in jeder Apotheke in Dar), das enthält aber nur 20 % Deet und ich dachte, dass reicht vollkommen aus – immerhin war ich nie krank. Heißt das, dass ich einfach nur Glück hatte?

Kristina: Naja, ganz so ist es auch nicht. Wenn du dich flächendeckend einsprühst und dann auch genügend verwendest, steigt natürlich auch die Wirksamkeit. Studien zeigen, dass „DEET“ die beste und längste Wirkung aufweist. Und ab 40 % DEET-Anteil ist die Leistungsgrenze allerdings erreicht – das heißt, dass selbst 100 % DEET nicht mehr helfen als 40 %. Versuch‘ halt in Zukunft, Mittel mit zumindest 30 – 40 % DEET-Anteil zu kaufen. Wenn du mehr dazu wissen willst: Centers for Desease Control and Prevention (CDC) hat echt viele gute Artikel zu dem Thema.

Martina: Deet tötet ja die Moskitos, oder?

Kristina: Nein, es stört den Geruchsensor der Moskitos und sie fliegt zum nächsten. Die Mücken folgen Geruchstoffen, also Parfum, Schweiß und CO2 haben sie besonders gern. Parfums also am besten zuhause lassen. (lacht) Das neue Parfum heißt „DEET“.

Martina: Das Thema „Malaria“ beschäftigt mich tagtäglich hier. Kann man eine Art Immunisierung aufbauen? Und wie viele Mücken braucht es, um Malaria zu bekommen?

Kristina: Eine einzige Mücke reicht aus, dass du an Malaria erkranken kannst. Das System der Malaria kennst du wahrscheinlich: Mücke sticht den Menschen, über die Blutbahn kommen einige Parasiten in die Leber – dieser Prozess dauert Minuten bis Stunden – und dort vermehrt sich der Malaria Parasit. Wenn die Malaria dann „ausbricht“ ist der Parasit bereits in den roten Blutkörperchen, erzeugt Fieber und steckt die nächste Mücke beim nächsten Stich an. Man kann gegen diesen Parasiten keine „Immunisierung“ aufbauen, aber man kann sich eben mit Malaria-Prophylaxen schützen. Diese blockieren den Parasiten bereits bei der Ankunft in der Blutbahn – so hat er gar keine Möglichkeit, sich in der Leber breit zu machen.

Martina: Ich nehme ja keine Prophylaxe, weil mir der Zeitraum zu lange erscheint. Meinen Freunden sage ich immer, sie sollten die Medikamente schlucken und die erste Antwort lautet: „…  aber diese Nebenwirkungen“

Kristina: Naja, die Nebenwirkungen sind vergleichbar mit denen von Antibiotika. Man muss das Risiko abwiegen – gestochen zu werden und eine potentiell sehr gefährliche Infektion zu erwischen oder eben die „Nebenwirkungen“ in Kauf zu nehmen. Vor allem bei kurzen Reisen ist die Einnahme von Prophylaxen absolut zu empfehlen.

Martina: Das Thema „Prävention“ spielt wahrscheinlich in dem Zusammenhang auch eine wichtige Rolle, oder?

Kristina: Absolut! Malaria-Prophylaxe zu nehmen, ist eine Art, eine (!) mögliche Krankheit abzufangen. Generell gilt:

  • regelmäßig Hände waschen – das hilft gegen Durchfallerkrankungen, Husten, Grippe, Schnupfen und sonstige Schmierinfektionen
  • kein Streetfood und wenn man es kosten möchte, dann Dinge, die im Öl herausgebacken sind – die sollten heiß genug sein, dass nichts überleben kann. Lauwarmes Essen sollte man ohnehin vermeiden.
  • Obst und Gemüse – alles was man schälen kann ist natürlich umso besser, weil Salate und co zumeist mit verunreinigtem Wasser gewaschen werden.
  • Überhaupt bitte nie Leitungswasser, sondern immer Trinkwasser trinken und zur Not auch damit Zähne putzen.
  • Trinken, trinken, trinken! Viele Dinge können vermieden werden, wenn man genügend Flüssigkeit zu sich nimmt. „Halte deinen Urin klar, dann bist du gut rehydriert“ – heißt ein Mediziner-Spruch
  • Sonnenschutz – und das bedeutet nicht nur Sonnencreme, sondern auch Kopfbedeckung. Ich habe hier schon richtig böse Sonnenbrände gesehen und ein Sonnenstich in den Tropen ist auch nicht zu unterschätzen.
  • und lange Kleidung schützt vor Sonne und Mücken
  • sollte man Fieber bekommen: Bitte immer ernst nehmen. Gerade bei Malaria zählen Stunden.

Martina: Ich schürfe mich regelmäßig irgendwo auf – was muss ich tun, damit ich keine Blutvergiftungen, Wundbrand oder sonstige Infektionen bekomme?

Kristina: Kleinere Wunden wäscht man am besten mit reichlich –d.h. mindestens einem halben Liter – sauberem Wasser aus. Wenn kein Trinkwasser vorhanden ist, ist die Dusche besser als nichts. Und dann mit einem Desinfektionsmittel noch versorgen. Alle großen Wunden sollte man sich schon im Krankenhaus ansehen lassen – vielleicht sind ja weitere Behandlungen notwendig. Und vor der Reise an die Tetanus-Impfung denken!

Martina: Und zum Abschluss, erzähl‘ mir bitte noch was zum EBOLA-VIRUS. Ich bekomme seit einer Woche täglich zumindest eine Mail, die vermuten lässt, dass es in den österreichischen Medien groß diskutiert wird. Wie gefährlich ist es für uns?

Kristina: Das Ebola-Virus ist ein hämorrhagisches Fieber – das heißt, das Fieber geht oft mit Blutungen einher. Unbehandelt ist es hoch letal – bis zu 90 % der Patienten sterben. Die Behandlung ist einfach nur „supportive Care“ – also Intensivpflege. 1976 wurde das Virus von Peter Piot entdeckt. Das Virus wird durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten eines erkrankten Menschen übertragen (Erbrochenes, Blut, …) – oder auch durch Kontakt mit kontaminierten Material (wie z.B. Spritzen). Wie man bei dem derzeitigen Ausbruch sieht ist deshalb vor allem Gesundheitspersonal betroffen- was die Sache umso tragischer macht. Gesundheitspersonal steckt sich vor allem deshalb an, weil Patienten ihre Symptome verstecken, da sie Angst haben diskriminiert zu werden. Ebola ist eine echte Gefahr in diesen Ländern, aber Panikmacherei hilft keinem was. Peter Piot sagte in einem Interview, dass er ohne Bedenken neben einer infizierten Person im Zug sitzen würde (solange diese ihn nicht in den Schoß erbricht). Du bist also nicht in die Risikogruppe – du hast keinen Patientenkontakt. Deine Ansteckungsgefahr ist also bei weitem nicht so hoch. Falls man helfen möchte, ist es am besten die wenigen bestehenden Organisationen, die wissen, wie man solch eine Epidemie bekämpft, wie z.B: die Weltgesundheitsorganisation, zu unterstützen. (schmunzelt) Also weiterhin fleißig Steuern zahlen.

Martina: Und was wäre, wenn eine infizierte Person nach Europa kommt?

Kristina: Unsere Kultur lässt es zu, dass man im Falle einer Erkrankung sofort den Arzt aufsucht. Hier in Afrika verbreitet sich das Virus einfach auch so schnell und leicht, weil sich Menschen schämen, zum Arzt zu gehen, weil sie ihre Verwandten verstecken oder sie nicht in Quarantäne geben. In Europa wird man doch sofort abgeschirmt. Alle Gesundheitsministerien sind informiert und haben Notfallpläne aufgestellt. Und die Hygienestandards in Afrika sind absolut nicht vergleichbar mit denen in Europa. Das Virus hätte aus meiner Sicht in Europa nicht die gleiche Chance sich auszubreiten. Mit einer Inkubationszeit von 2 bis 21 Tagen bricht das Virus obendrein auch sehr rasch aus – anders als bei HIV/AIDS oder Hepatitis – das heißt, man erkennt es sehr schnell. Man würde in Europa den Patienten und alle mit ihm in Kontakt getretenen Personen sofort abschirmen.

Martina: Und warum hören wir hier in Tanzania so überhaupt nichts davon?

Kristina: Das schlechte Gesundheitssystem wäre nicht im Stande die Patientenanfragen zu tragen – nach dem die Zeitungen in Dar Es Salaam voller Dengue waren sind viele Menschen mit Fieber ins Krankenhaus gekommen, obwohl die Epidemie schon längst vorbei war. Und wenn ich an den Dengue-Ausbruch im April und Mai 2014 nachdenke: Wir wussten davon schon zwei Monate, bevor man es in den Medien lesen konnte. – Man soll die Ebola-Gefahr nicht unterschätzen, aber derzeit gibt es keinen Anlass zur Panik.

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