von Carina Putz

Niemand ist eine Insel. Auch eine NGO nicht.


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Bougainville, eine autonome Region Papua Neu Guineas. Eine Insel mitten im Pazifik. Vor 17 Monaten bin ich hier als Technical Advisor gestrandet. Nach ein paar Eingewöhnungs- und Akklimatisierungstagen hab ich meine Arbeit als Beraterin des Bildungsdepartments der Diözese Bougainville (Catholic Education Agency) aufgenommen.

Ich habe einige Monate gebraucht, mir einen Überblick über die Bildungslandschaft in Bougainville zu machen. Ein mir unbekanntes Schulsystem, neue gesetzliche Regelungen, ein anderes pädagogisches Konzept, unterschiedliche Altersbegrenzungen und Schulstufen, uvm. haben mich in den ersten Wochen etwas verwirrt aus dem Büro heimgehen lassen.

Bald wurde mir auch bewusst, dass es viel mehr “player” in der Entwicklungszusammenarbeit gibt als ich angenommen hatte, vor allem im Bildungsbereich. Ich finde mich in einem komplexen und sehr bunten Netz aus Stakeholdern wider. Und auch wenn nicht alle das EINE wollen, so wollen doch viele etwas ÄHNLICHES.

“Nicht alle wollen das EINE, aber viele etwas ÄHNLICHES.”

In den letzen Monaten habe ich mich an die herausfordernde und interessante Tätigkeit gemacht, herauszufinde wer wo wann welche Rolle spielt wenn es darum geht, Bildung in Bougainville weiterzuentwickeln und zu unterstützen. Neben den diversen lokalen Bildungseinrichtungen, wie dem Department of Education und der Catholic Education Agency, gibt es da eben auch uns HORIZONT3000 Advisor, die, verbunden mit verschiedenen Counterparts, sehr gute Arbeit leisten. Dazu kommen dann noch diverse nationale und internationale Organisationen – regierungsfinanziert oder NGOs – die an verschiedenen Ecken und Enden mitgestalten.

Manche dieser internationalen Bildungspartner haben short-term Verträge. Sie als Stakeholder zu identifizieren und eine sinnvolle, auf Nachhaltigkeit ausgelegte Kooperation aufzubauen wird durch den Zeitfaktor erschwert. Immer wieder stehen ich und meine KollegInnen vor der großen Herausforderung der Kommunikation. Ein Beispiel ist die Koordination von Trainings und Workshops in der Region. Regelmäßig kommt es vor, dass wir nur durch Zufall von abgehaltenen Trainings für LehrerInnen erfahren, von denen wir eigentlich im Voraus wissen sollten. Nicht immer lassen sich Organisatoren eindeutig zuordnen. Nicht immer ist klar, was Intention und wer Zielgruppe war. Jeder Stakeholder verfolgt seine eigenen Agenden.

Unzureichende Kommunikation und Absprache führt dazu, dass Unterstützung ungerecht verteilt wird. So werden manche Schulen von mehreren Seiten mit Materialien, Expertise oder Trainings unterstützt während andere (meist jene in abgelegenen Regionen) durch die Finger schauen. Informationsmaterial wird von Grund auf neu erstellt, obwohl quasi “ein paar Häuser weiter” zum gleichen Thema bergeweise in den Laden liegt. Die rechte Hand weiß oft nicht was die linke tut. Wie so häufig sind jene, die “am lautesten schreien” auch jene, die schlussendlich von unseren Entwicklungsleistungen profitieren.

Ein realistischer Blick auf die Bildungslandschaft zeigt, selten hat man eine Idee, die noch keiner zuvor gehabt hat. Selten setzt man ein Dokument, eine Guideline oder Policy auf, zu der es nicht schon etwas gibt. Irgendwo von irgendwem. Ja, es kostet Mühe und Zeit dieses Know How aufzuspüren und offenzulegen. Manchmal muss man sein eigenes Profilierungsbedürfnis hinten anstellen und auf den Zug aufspringen, der schon fährt. Schließlich besteht der Sinn der EZA nicht darin, das Rad alle paar Jahre (oft mit jedem neuen Advisor) neu zu erfinden.

Mit Blick auf das “overall goal” könnte man natürlich entstandene oder künstlich geschaffene Wettbewerbssituationen hinterfragen. Der Konkurenzgedanke in der Entwicklungszusammenarbeit führt nämlich dazu, dass Synergien nicht erkannt oder genutzt werden, Doppelungen entstehen, Lessons Learned nicht weiterkommuniziert werden und letzendlich eine Gruppe darunter leidet: Die lokale Bevölkerung, unsere Kunden.

Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich in den letzten Monaten die eine oder andere Verknüpfung herstellen bzw. pflegen konnte. Gerade in den letzten Wochen wurde ich Zeugin von sehr gelungenem Netzwerken. Ein Beispiel dafür ist die gemeinsame Nutzung von Ressourcen. So wurden die jährlichen Schulbesuche der Catholic Education Agency in Kooperation mit anderen Departments unternommen. Neben Kostenersparnis setzte der gemeinsame, departmentübergreifende Auftritt in den Schulen ein starkes Zeichen für Zusammenhalt und Vernetzung. Ganz abgesehen davon war das Plaudern mit den Bildungspartnern während der langen Autofahrten sehr erfrischend. Durch diesen Austausch können bestehende Informationen für eine breitere Zielgruppe zugänglich gemacht werden.

Meine KollegInnen und ich konnten einen Eindruck davon gewinnen, wie andere Departments arbeiten und welche Aufgaben sie im Schulsystem erfüllen. Ein berührendes Erlebnis war für mich beispielsweise zu sehen, wie sich Callan Services (Organisation, die Kinder und Erwachsene mit Beeinträchtigung fördert) um die Integration von einem Schüler im Rollstuhl kümmert und ihm somit den Schulbesuch ermöglicht. Der Jugendliche wird täglich von Freunden über die erdige Bush-Straße in die Schule geschoben. Nur bei Regen werden die Schlammlöcher unüberwindbar.

Die Zusammenarbeit mit Save the Children (einer internationalen NGO) in der Konzeption und Implementierung von Workshops war ein weiteres Highlight für gutes Networking. Das Foto zeigt unser Teamwork bei einem Management Training für Kindergärten und Vorschulen im Dorf Binau im Norden Bukas. Unter dem Wellblechdach am Erdfußboden war die größe Herausforderung, unsere Flipcharts zu befestigen und der Hitze standzuhalten. 😉

Funktionieren kann so etwas nur, wenn man persönliche Kontakte pflegt. Eine zentrale, länder- und organisationsübergreifende Koordinierung der Programme scheint realistisch kaum möglich. Man muss eben vor Ort herausfinden, was “die anderen” so machen und dabei sowohl “Locals” als auch “Expatriates” (internationale MitarbeiterInnen) miteinbeziehen.

Schlussendlich ist es aber jede Mühe wert und unglaublich schön zu sehen, wenn Zusammenarbeit funktioniert und Früchte trägt. Übergreifend. So stelle ich mir persönlich Entwicklungszusammenarbeit vor. Auf der Insel. Denn wir sitzen am Ende des Tages alle im selben Boot.

 

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