Mit 14 Angestellten und einer Handvoll „Menschen im Einsatz“ herrscht im HORIZONT3000-Büro in Managua eine fleißige Betriebsamkeit. Von hier aus kümmert man sich um die die Projekte in Nicaragua, El Salvador und Guatemala. Für die korrekte Abwicklung in den beiden letztgenannten Ländern hält eine einzige Frau die Stellung: Imelda Sajquim. Seit 1998 ist sie mit der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit verbunden. Heute koordiniert sie die sieben Projekte und Programme, die HORIZONT3000 im nördlichen Mittelamerika unterstützt. Selbst vom Volk der Maya-Mam stammend ist ihr die Stärkung der indigenen und ländlichen Bevölkerung ein besonderes Anliegen: „Ich sehe wie sich durch unsere Arbeit das Verhalten vieler ändert. Anfangs ganz schüchterne Frauen sind heute regionale Führungspersönlichkeiten. Emotional und wirtschaftlich sind die Projekte hier wichtig. Ich als Guatemaltekin sehe, dass es einen positiven Wandel gibt.“
Imelda war auf Einladung von der Katholischen Frauenbewegung (kfb) und HORIZONT3000 in Wien. Wir nutzten die Möglichkeit mit ihr zu reden.
Imelda, du arbeitest für HORIZONT3000 in Guatemala und El Salvador. Wie würdest du einem Laien deine Arbeit erklären?
Imelda Sajquím: HORIZONT3000 koordiniert die Projekte in Zentralamerika vom Büro in Nicaragua aus. Meine Rolle für Guatemala und El Salvador ist das Monitoring der Projekte in finanzieller und technischer Hinsicht. In beiden Ländern zusammen sprechen wir etwa von 13 Projektpartnern. 70 % werden dabei von der OEZA ko-finanziert, 30% des Geldes kommen von unsern Mitgliedsorganisationen. Zusätzlich haben wir 2 bis 3 EU-geförderte Projekte. Zum einen mache ich Monitoring – Besuche in den Büros der Projektpartner, zum anderen fahre ich direkt in die Projekte, um die Arbeit vor Ort zu betreuen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag aus?
Imelda Sajquím: Ich bin abwechselnd 2 Wochen in El Salvador und Guatemala. In diesen 4 Wochen verbringen ich durchschnittlich 4 bis 5 Tage im Büro. 75 % der Zeit verbringe ich mit Monitoring-Aktivitäten bei den Projektpartnern und 25 % arbeite ich im Büro. Außerdem nehme ich alle 3 Monate an Meetings im Büro in Nicaragua teil.
Was tust du, wenn du beim Projektpartner bist?
Imelda Sajquím: Wenn die Projektpartner während meines Besuchs ein Seminar oder Workshop veranstalten, nutze ich die Möglichkeit, daran teilzunehmen. Abgesehen davon arbeite ich mit dem technischen Team im Büro. Meistens ist es ein ½ Tag im Büro und ein voller Tag direkt im Projekt. Dort nutze ich die Zeit, um die Zielgruppen zu Hause zu besuchen, frage sie zum Projekt, ob sie es positiv bewerten und welche Bedenken es gibt. Den direkten Kontakt halte ich für sehr wichtig, schließlich soll das Projekt ja ihnen zu Gute kommen.
Wo liegen die thematischen Schwerpunkte?
Imelda Sajquím: Unsere strategischen Aktionsfelder sind Ländliche Entwicklung und Menschenrechte und Zivilgesellschaft. Manche Projekte sind schon sehr weit fortgeschritten, andere befinden sich erst ganz am Beginn bzw. müssen ihre Qualität noch stark verbessern.
Welche Herausforderungen hast du in deiner Arbeit?
Imelda Sajquím: Es sind hauptsächlich externe Faktoren, die das Projekt herausfordern. Man kann sie nicht kontrollieren. In El Salvador ist es hauptsächlich der Sicherheitsaspekt, die Gemeinschaft hat große Angst, aktiv zu werden. Denn das bedeutet sich zu exponieren und das führt zu mehr Unsicherheit. Das ist momentan das Hauptproblem. Bei Gemeinschaftsprojekten muss man sich während des Prozesses austauschen, miteinander kommunizieren und in Kontakt treten. In El Salvador kannst du aber nicht zuerst in einer Gemeinschaft arbeiten (Dorf A) und dann in eine nächste (Dorf B) gehen, um dort weiterzuarbeiten, weil du der zweiten nicht angehörst, du ihr fremd bist. All das hat mit Sicherheit zu tun. Das zerstört die Projektdynamik und man muß einen Weg finden, den Prozeß zu adaptieren bzw. eine Strategie zu entwickeln, wie man sich unter diesen Umständen in den Städten oder Dörfern zurechtzufinden kann.
Wo liegen die soziokulturellen Unterschiede zwischen Guatemala und El Salvador?
Imelda Sajquím: Die ethnische Zusammensetzung der Länder ist unterschiedlich. Guatemala ist ein multiethnisches, multikulturelles Land. 80 % der Bevölkerung ist indigen (wobei die letzte Volkszählung kritisch zu hinterfragen ist, denn wer nicht indigen gekleidet war, wurde als „ladino“ (Mestize) eingestuft; was nichts damit zu tun hat, welchen kulturellen Ursprungs die Person tatsächlich ist). Ich arbeite mit verschiedenen Ethnien wie Q’eqchi‘, Ch’orti‘, im Osten Guatemalas, und mit Kiche‘, Aguacatecos und Mames im westlichen Hochland. Die Länderdynamik unterscheidet sich durch unterschiedliche Kulturen. In Guatemala steht mehr die Diskussion um verschiedene indigene Völker und deren Rechte im Vordergrund.
In El Salvador steht dieser Prozess erst ganz am Anfang, man spricht kaum von Ethnien, in einem unserer Projekte beginnen wir diesbezüglich mit der Evaluierung. Es gibt aber auch in El Salvador positive Entwicklungen, etwa sieht man, daß die Pipil-Kultur wieder verstärkt zu wachsen beginnt. Die Nahuat-Sprache und die Forderung dieser Völker finden mehr Gehör. Allerdings stellen sie ihre Forderungen auf eine andere Art und Weise als in Guatemala, wo die Menschen ihrer Identität bewußt und ihre Kulturen sehr lebendig sind. In El Salvador muss diese Identität erst wiederbelebt werden.
Ein weiterer Unterschied ist das Thema Rassismus: In Guatemala ist die Diskriminierung der indigenen Bevölkerung ein wichtiges Thema. In El Salvador ist sie weniger sichtbar, da es sich um eine „Mestizo“- Gesellschaft handelt. Die Suche nach sozialem Aufstieg und nach Arbeit steht hier im Vordergrund. Darum unterstützen wir Initiativen, die den jungen Männern und Frauen zugutekommen. In Guatemala gibt es ebenfalls Projekte von Frauen und Jugendliche, aber man schließt hier die Zugehörigkeit zur eigenen Kultur mit ein. Aber wie bezieht man die unterschiedliche Identität der indigenen Völker ein? Es geht stärker darum, die Vorstellungen und Zukunftsperspektiven der jeweiligen Gruppe zu unterstützen.
Erst vor 4 Jahren wurde von der damaligen Regierung in El Salvador ein eigenes Sekretariat eingerichtet, das für die Anliegen der indigen Bevölkerung zuständig ist. Noch gibt es keine Zahlen über den Prozentanteil der Indigenen. Laut Volkszählung gibt es in El Salvador keine Indigenen. Allerdings hat die Regierung in ihrem Arbeitsplan festgelegt, den Indigenen „Tür und Tor“ zu öffnen, weshalb die indigene Bevölkerung erst beginnt, ihre Forderungen zu formulieren.
Wie ist die Beziehung zu den Projektpartnern?
Imelda Sajquím: Es ist eine horizontale Beziehung, geprägt von Verständnis, Raum für Diskussion. Die Situationen und Umstände werden gemeinsam analysiert und Lösungsansätze erarbeitet. Wenn es keinen Fortschritt in einer Aktivität gibt, wird analysiert, ob es sich um interne oder externe Faktoren handelt und wie darauf zu reagieren ist.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsorganisationen?
Imelda Sajquím: Sehr gut, sie ist ebenfalls in einer horizontalen Beziehung. Wir können klar über die Möglichkeiten und Hindernisse in der einen oder anderen Mitgliedsorganisation sprechen, inwiefern wir in bestimmten Beziehungen Fort- oder Rückschritte machen. Wir analysieren und verbinden die Interessen der Mitgliedsorganisationen und die unseren, es gibt immer Verbesserungsmöglichkeit: Es ist wie im richtigen Leben. Nicht alles ist rosa, es wird immer Wolken geben, die durch externe Faktoren auftreten. Z.B. ist vor kurzem der Koordinator einer Organisation weggegangen. Dadurch ist ein Ungleichgewicht in der Koordination entstanden – man weiß nicht, wie es jetzt weiter geht.
Welches Bild haben die Projektpartner von HORIZONT3000 und den Mitgliedsorganisationen?
Imelda Sajquím: Sie sehen HORIZONT3000 als befreundete Organisation, auf die sie sich verlassen können. Austausch auf Augenhöhe ist möglich. Ihre Vorstellungen können sie so ohne Bedenken kommunizieren. Sie sehen, dass die Beziehung zwischen HORIZONT3000 und den Mitgliedsorganisationen gut ist. Dadurch, dass manchmal beide in der gleichen Region aktiv sind, kann HORIZONT3000 auch außerhalb der verhandelten Tätigkeiten (die im Logframe zu finden sind) unterstützend wirken, Fragen beantworten. Es eröffnen sich noch mehr Möglichkeiten der Unterstützung seitens HORIZONT3000. Als wäre es ein Arm, an dem man sich in dem Moment anhalten kann, wenn er gebraucht wird.
Welche Erfahrungen nimmst du mit zurück nach Hause?
Imelda Sajquím: Was ich gelernt habe, ist, bei den verschiedenen Projekten differenzierter zu analysieren, was waren die Fortschritte, was waren Rückschritte, und die Fortschritte als solche auch besser zu erkennen bzw. wertzuschätzen. Ich habe auch mehr darüber gelernt, wie die einzelnen Mitgliedsorganisationen ihre Spendensammlungen durchführen. Ich wusste zwar bei ein paar Bescheid, aber hatte mich noch nicht so intensiv damit auseinandergesetzt. Jetzt weiß ich, wie die Kampagnen vorbereitet und welche Informationen dafür gebraucht werden.
Vielen Dank für das Gespräch!