Werner Freigang ist seit 1. Oktober 2014 neuer Program Officer für Kenia und Tansania und tritt damit die Nachfolge von Hanni Wallner an. Der Oberösterreicher aus Maria Schmolln im Bezirk Braunau absolvierte die Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien und war 1988 bereits für das IIZ in Ruanda tätig (das Institut für Internationale Zusammenarbeit war eine Vorgängerorganisation von HORIZONT3000). In Dar Es Salaam traf ich ihn zum Einstiegs-Interview.
Welche bisherigen Stationen in deinem Leben waren für dich wichtig?
Werner Freigang: Die wichtigste Station von allen – einfach weil es ein großer Wunsch war, dessen Erfüllung mich langfrist geprägt hat – war Australien und Neuseeland. Nach dem Studium wollte ich unbedingt nach Neuseeland und ein guter Freund unbedingt nach Australien. Wir haben uns also gemeinsam auf den Weg gemacht. Aus dem Plan 3 Monate Australien und 3 Monate Neuseeland wurden schließlich 6 Monate Neuseeland, 5 Monate Australien und 1 Monat Papua Neuguinea (PNG). In der Zeit in PNG hab ich Leute vom ÖED kennengelernt und obwohl ich Entwicklungszusammenarbeit schon während meines Studiums spannend fand, war ich dann erst so richtig „infiziert“ mit der Idee auf Personaleinsatz zu gehen. Dieses Berufserlebnis war zugleich mein Berufungserlebnis. Nach meiner Rückkehr hab ich mich sofort beim IIZ beworben. 14 Tage später bekam ich bereits einen Anruf: Ein Platz in einem Projekt in Ruanda ist frei – der Vorgänger hat abgebrochen. Zufall oder Fügung? Es folgten – wie auch heute – ein Vorbereitungskurs und ein Sprachkurs. Im April 1988 war es dann soweit: Ein neuer Lebensabschnitt begann. Und ich weiß noch ganz genau, wie mein Puls hochschnellte als wir die Zwischenlandung – auf dem Weg nach Kigali (Ruanda) – am Kilimanjaro Airport machten. Bei Sonnenaufgang sah ich diesen damals noch schneebedeckten Riesen und wusste nicht recht: Träume ich noch oder bin ich jetzt in einem neuen Leben aufgewacht?
In Ruanda habe ich in der Diözese Ruhengeri ein Projekt mitaufgebaut, das zwei Jahre vorher Tiroler Grauviehkühe und Bergschafe geschenkt bekam. Wieder einer dieser Zufälle: Ich hab meine Diplomarbeit an der BOKU über die Schafzucht – Milchschafhaltung – geschrieben. So wurde mein Wissen über die Tierzucht ausgebaut und – nachdem weit und breit kein Tierarzt war – ich als Tierarzt aufgebaut.
Anschließend war ich dann noch in Burundi für Austrovieh/Biomerx bzw. Austroprojekt unterwegs. Das Projekt hat mich auch nach Ngorogoro gebracht, wo ich meine Frau Elisabeth kennenlernte. Nach Familiengründung und Projektaufbau war die nächste Station die USA, wo Elisabeth ihre Disseration abschloss. Danach ging es wieder zurück nach Ostafrika, nach Kampala – in die Administration der ADA (Stipendienprogramme, Monitoring und Evaluierung). 2005 sind wir – also meine Frau, unsere zwei Kinder und ich – nach Österreich gezogen und haben dort unser neues Zuhause auf einem Bauernhof gefunden. In dieser Zeit war ich als Geschäftsführer und Obmann des Schafzuchtverbandes Oberösterreich unterwegs. (Er lächelt) Irgendwie haben wir es in dieser Phase auf den höchsten Schafstand seit Ende des Zweiten Weltkrieges geschafft. Somit war meine Arbeit getan und 2012 sind wir mit der gesamten Familie wieder in Ostafrika – genauer genommen in Dar Es Salaam (Tansania) – gelandet.
Wie würdest du einem Laien im fernen Österreich erklären, was du in deiner Arbeit als Program Officer tust?
Werner Freigang: Ich bin dafür zuständig, dass sich die 11 ProjektmitarbeiterInnen, die in Kenia und Tansania arbeiten, wohlfühlen, die Finanzierungsprojekte realistisch geplant werden und die Ziele erreicht werden. Für ein gelungenes Projekt ist vor allem ein realistisches Design enorm wichtig: Man trifft sich mit den Partnerorganisationen, versucht ihre Ziele abzufragen und realistische Ziele zu definieren. – Oft erfährt man in einem informellen Gespräch mehr als in einem offiziellen Meeting. Das alles braucht Vertrauen und Zeit. Sobald ein Projekt gestartet wurde, geht es um die laufende Betreuung und die Begleitung der ProjektmitarbeiterInnen und ihrer Projektpartner. Ich war selber sehr viel im Feld und vermisse die Zeit schon manchmal, aber gleichzeitig weiß ich auch, wie wichtig sorgfältige Planung im Vorfeld ist und ein klares Projektdesign für eine erfolgreiche Umsetzung der Projekte ist. Und die Projektbesuche in Tansania und Kenia – wir reden hier von einer 18-fachen Fläche von Österreich, die es abzudecken gilt – nehmen auch einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Aber genau diese Mischung macht den Reiz aus.
Was interessiert dich an diesem Job?
Werner Freigang: Für mich sind diese Fieldtrips ein wesentlicher Teil, weil es die Verwirklichung der „Schreibtischtaten“ ist. Das fertig implementierte Projekt zu sehen, ist ein absolutes Highlight für mich.
Du hast schon sehr viel Erfahrung in Ländern des Südens – wo liegen für dich die täglichen Herausforderungen?
Werner Freigang: Zulassen und Vertrauen aufbauen bzw. finden. Es ist wichtig, den richtigen Ton im Umgang miteinander zu finden und nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. Jede Email, jeder Anruf oder jedes Telefonat ist geprägt von der eigenen Persönlichkeit. Im Östlichen Afrika ist es entscheidend, immer einen kleinen Teil von sich preis zu geben, weil man sonst keine guten Kontakte aufbaut und somit keine guten Projekte findet.
Vertrauen bei den Projektpartnern aufzubauen ist sicher auch eine der größten Herausforderungen. Oftmals winken Projektpartner in urbanen Gegenden gleich ab, weil sie bereits enttäuscht wurden oder den Sinn in einem Personaleinsatz nicht erkennen. Hier gilt es, sich Zeit zu nehmen und die „richtigen“ Projekte zu finden, die langfristig und nachhaltig sind. Im ländlichen Bereich ist es in dieser Hinsicht etwas leichter, aber auch notwendiger, Kapazitäten aufzubauen.
Und natürlich ist eine der Herausforderungen für mich als Program Officer, die Projektmitarbeiter so gut es geht zu unterstützen, sie zu motivieren und ihnen im Vorfeld gute Projekte zu organsieren, damit die Umsetzung dann leichter fällt.
In welche (interkulturellen) „Fallen“ tappst du immer noch?
Werner Freigang: Die Gelassenheit ist zwar keine Falle mehr für mich, aber eine ständige Herausforderung. Hier gilt es Besonnenheit und Ruhe auszustrahlen und gerade in der Swahili-Kultur ist es enorm geschätzt. Daher gilt: Einmal durchatmen, eine Tasse Tee trinken und danach die Antwortmail verfassen.
Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen dem Östlichen Afrika und Österreich?
Werner Freigang: In der Swahili-Kultur steht der respektvolle Umgang miteinander. Die leise, zurückhaltende Sprache und die Diskretion stehen an erster Stelle. Hier flüstert jemand die Frage ins Ohr, ob man noch ein Bier wünscht. In Österreich schreit der Kellner quer durch den Raum, ob man für das fünfte Bier auch noch Platz hätte. Man geht in der Swahili-Kultur auch nicht „aufs Klo“, sondern „Kräuter sammeln“.
Ein weiterer, wesentlicher Unterschied ist der Umgang mit der Familie und die Anteilnahme. Die Familie steht im Mittelpunkt – schon bei der Begrüßung wird die aktuelle Verfassung der gesamten Familienmitglieder abgefragt.
Und das Einfühlungsvermögen der meisten Menschen hier ist für mich auch etwas Spezielles: Es wird zuerst der „Modus“ des Menschen abgefragt, bevor man ihm von den eigenen Problemen erzählt. Man behält im Hinterkopf: Ist der Mensch überhaupt aufnahmefähig für meine Themen? In Österreich legt man einfach los. Diese Ungeduld, die uns Europäer antreibt, bewirkt hier oftmals genau das Gegenteil.
Wo stecken für dich die größten Gemeinsamkeiten zwischen Österreich und Ostafrika?
Werner Freigang lacht: Man schimpft gerne über die Polizei und die Bürokratie.
Was möchtest du den neuen TAs, die jetzt im Dezember ankommen, mit auf den Weg geben?
Werner Freigang: Sie sollen sich auf die Situation einlassen. Manchmal ist das Gefühl, von zuhause weggehen zu wollen, oft stärker als das Gefühl nach Afrika gehen zu wollen. Die Frage „Wofür sind wir alle hier bzw. was ist unsere Aufgabe als ProjektmitarbeiterIn?“ sollte im Mittelpunkt stehen. Wir unterstützen Menschen auf ihrem Weg in die soziale und finanzielle Unabhängigkeit. Sei es durch den Zugang zu Wasser, Menschenrechten, medizinische Versorgung oder Wissen. All diese Themen sind Teil einer großen Entwicklung. Und wir haben das Glück, mithelfen zu können.
Als ProjektmitarbeiterIn sollte man sich auch drauf einstellen, dass man am Ende mehr gelernt haben wird als man lehren konnte. Wir alle kommen mit großen Zielen, aber manchmal braucht es halt etwas mehr Flexibilität und Interesse an anderen Dingen, die nicht Teil der eigenen Ausbildung waren, um die übergeordneten Ziele zu erreichen. Man lernt enorm viel dazu und sieht, dass man gemeinsam bei weitem mehr erreichen kann als eine Einzelperson. Diese Bereitschaft gemeinsam voneinander zu lernen und die Überwindung der Scheu vor neuen Aufgaben sind sicher wesentliche Schritte, einen Einsatz – auch für sich persönlich – erfolgreich abschließen zu können.
Vielen Dank für das Gespräch und Alles Gute für deine neue Aufgabe!