von Nicole Wessely

Zum Abschluss des Vorbereitungskurses: Gespräch mit Hans Stoisser


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Sieben Wochen der Vorbereitung sind geschafft: von Tropenmedizin über Rollenspiele von Gefahrensituationen, bis zum Reifenwechseln an einem Toyota Landcruiser und Change Management, haben unsere künftigen HORIZONT3000-Fachkräfte so ziemlich alle Bereiche kennengelernt, die Ihnen in den nächsten zwei Jahren nützlich sein können. Bis zum 1. Mai gibt es jetzt noch Zeit für Verabschiedungen und schon geht es los!

Weil so eine intensive Phase wie diese auch gebührend beendet werden will, haben wir zu einem „Kamingespräch“ und einer anschließenden Diskussion geladen: Hans Stoisser, Unternehmer, Berater und Autor des Buches „Der schwarze Tiger“, hinterfragte und provozierte mit seinen Marktwirtschaftlichen Betrachtungen die, in der NGO-Branche üblichen, Ansichten über Entwicklungszusammenarbeit.

Hans Stoisser erzählte von seinem ersten Einsatz in den frühen 80ern, als er – ein junger Student – nach 4 Tagen Vorbereitung beim damaligen IIZ  (Institut für internationale Zusammenarbeit) nach Kap Verde aufbrach um eine Städtepartnerschaft aufzubauen. Mit zwei Kisten Medikamenten und viel Motivation und Naivität im Gepäck brach er auf und schon der erste Zwischenstopp in Dakar brachte ihn leicht aus der Fassung. In Pedra Badejo angekommen, fühlte sich Stoisser aber bald wohl und blieb schließlich zweieinhalb Jahre.

Dass sich die Welt in den darauffolgenden 35 Jahren weitergedreht hat, konnte Stoisser in vielen Regionen des globalen Südens direkt vor Ort beobachten. Was ihn besonders fasziniert, sei die digitale Vernetzung die mittlerweile fast alle menschlichen Gesellschaften potentiell verbindet. Besonders streicht er hier die sogenannte Generation Y aus afrikanischen Ländern hervor, die mit Satelliten-TV und Mobiltelefon groß geworden sei und so in nur einer Generation einen plötzlichen Zugang zur restlichen Welt erhielt. Viele dieser Generation sitzen mittlerweile in Macht- und Führungspositionen und üben einen selbstbewussten Einfluss aus.

Hier schließt sich auch das nächste Phänomen an: unerwartete Veränderungen des Marktes aufgrund des Überspringens bestimmter – im globalen Norden etablierter und üblicher – Strukturen. Zum Beispiel wurde Festnetztelefonie nie wirklich flächendeckend, sondern in vielen afrikanischen Ländern gleich die Mobiltelefonie Marktführer. Oder seit ca. 10 Jahren hält ein Bezahlsystem über Handys Einzug, bei dem eine kenianische Mobilfunkfirma, Safaricom, Marktführer ist: der Dienst M-Pesa macht so Bankfilialen überflüssig. Weiteres Beispiel sind für Stoisser mobile Off-Grid Photovoltaik-Anlagen die einzeln verkauft und an das Mobilfunknetz angeschlossen werden, und so vom Betreiber bei Nichtbezahlen der Raten abgeschaltet werden können.

Alle Beispiele Stoissers kommen aus der Privatwirtschaft, in der er auch die treibende Kraft von Veränderung bzw. Entwicklung sieht. Erwartungsgemäß hatten viele Zuhörer*innen im Raum andere Ansichten und so entstand eine lebhafte Diskussion. Es ging um Begrifflichkeiten – afrikanische Länder seien das „Labor der Zukunft“ in dem neue Dinge ausprobiert werden – ebenso wie um die Daseinsberechtigung der Entwicklungszusammenarbeit als Ganzes. Ist doch die Hauptkritik Stoissers an der EZA, dass sie ein „in sich geschlossenes System ist, dass jegliche Anschlussfähigkeit verloren hat“ und nur nicht untergegangen sei bis jetzt, da von oben Geld hineinfließe.

Interessanter Gedanke auch, dass die Spendenaufrufe im allgemeinen das negative Bild des „K-Kontinents Afrika“ verstärken und festigen: es sei ein Kontinent voller Katastrophen, Kriege, Krankheiten und Korruption – obwohl Stoisser in den letzten Jahrzehnten ganz andere Tendenzen beobachten konnte. Durchaus berechtigt dieser Einwand und auch diskutiert innerhalb von NGOs: Wie kann man Spenden sammeln ohne auf Leid aufmerksam zu machen?

Entrepreneurship kann sicher vieles schaffen, aber ob es das alleinige Werkzeug für eine gerechtere Welt sein kann, darf durchaus bezweifelt werden. Stoisser jedenfalls sieht die Zukunft in dezentral gesteuerten (wirtschaftlichen?) Systemen. Hoffen wir, dass derartig entstandener Wohlstand, nicht das Wohlergehen des und der Einzelnen übersieht. „Was kann Europa der Welt geben?“, fragt Stoisser und beantwortet im selben Atemzug selbst: „Das humanistische Weltbild.“

Die Diskussion fand ihren Ausklang bei einem Buffet und einem lockeren Austausch, sowie guten Wünschen und Umarmungen für unsere Ausreisenden Fachkräfte.

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