Nach einer Tätigkeit im Landwirtschaftsamt Kassel sammelte Lilo Massing seit den 1980er-Jahren Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Zu ihren Stationen zählte beispielsweise Papua-Neuguinea, wo sie unter anderem als Ausbildnerin an berufsbildenden Zentren für Land- und Hauswirtschaft, als Projektkoordinatorin zur Einrichtung eines Trainingszentrums für standortgerechte Landwirtschaft oder als Trainerin für zukünftige Entwicklungshelfer beim US Peace Corps tätig war. Später führte sie dort ein eigenes Beratungsbüro für landwirtschaftliche Fortbildung, biologische Zertifizierung und Fairen Handel und war als Koordinatorin für den Programmbereich Landwirtschaft und Ressourcenschutz des Deutschen Entwicklungsdiensts tätig. 2002 übersiedelte sie nach Uganda und war dort Beraterin der Berufsbildungabteilung des ugandischen Bildungsministeriums sowie bei Uganda Wildlife Authority tätig.
Die diplomierte Agraringenieurin Lilo Massing beriet in ihrem Einsatz von 2009 bis 2011 YARD (Youth Association for Rural Development) in Lugazi, Uganda. Von 2011 bis 2015 führte sie in Teilzeit die Arbeit bei YARD fort, darüber hinaus beriet sie diverse Organisationen in ERI (Enabling Rural Innovation) und der Methode der Systematisierungen. Wir baten Lilo während ihrer Debriefingtage im Wiener Büro zum Interview.
Du bist schon lange als Entwicklungshelferin bzw. Projektmitarbeiterin tätig und warst schon bei mehreren Entsendeorganisationen unter Vertrag. Warum hattest du dich vor sechs Jahren bei HORIZONT3000 beworben?
Lilo Massing: HORIZONT3000 arbeitet im Gegensatz zur GIZ bzw. dem früheren DED auch noch mit kleinen ländlichen Organisationen. Das war für mich auschlaggebend. Deshalb war HORIZONT3000 auch der ideale Partner.
Du bist seit 1987 in der EZA bei Partnern vor Ort tätig und hast enorme Erfahrung. Gibt es für dich noch Herausforderungen?
Lilo Massing: Ja, klar. Mir geht es zwar nicht mehr wie einem Neuling in der Branche, aber dennoch gibt es immer wieder Herausforderungen, die mich aufregen. So abgebrüht bin ich nicht. (lacht) Diese Situationen wird es immer geben.
Wie sieht es mit interkulturelle Schwierigkeiten aus?
Lilo Massing: Nicht wirklich. Je mehr man von seinen Partnern weiß, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, in interkulturelle Schwierigkeiten zu kommen. Zum Beispiel gibt es in der Lokalsprache Luganda keine Höflichkeitsform. Wenn dich dann jemand in Englisch etwas fragt, dann klingt das gleich einmal etwas schroff. Man muss eben wissen, was dahinter steckt.
Dein Projekt ging über sechs Jahre, eine Ausnahme bei HORIZONT3000. Wie wurde das gerechtfertigt?
Lilo Massing: Ich hatte YARD nur die ersten zwei Jahre Vollzeit beraten, danach nur noch in Teilzeit. Den anderen Teil meiner Zeit unterwies und begleitete ich unsere Projektpartner im Östlichen Afrika in ERI und der Methode der Systematisierung.
Dein Resümee über die Projekte …
Lilo Massing: Wir können mit den Projekten sehr zufrieden sein. YARD hat sich voll auf den ERI-Ansatz (Enabling Rural Innovation) eingelassen, voll verinnerlicht und ist jetzt in der Umsetzung viel besser, als ich es je gewesen bin. Das mitzuerleben, war für mich das größte Highlight. ERI ist ja etwas Besonderes, weil es nicht auf diesem Charity-Gedanken basiert, wie es in vielen Projekten getan wird. Üblicherweise ist es ja so, dass den Menschen anfänglicher Input in Form von Geld, Materialien oder Vieh gegeben wird, um ein landwirtschaftliches Projekt oder ein Business zu starten. Das ist bei unserem ERI-Ansatz anders, da wir die Bäuerinnen und Bauern dazu anleiten, aus ihren eigenen Ressourcen etwas aufzubauen. Das ist ein grundlegender Unterschied und auch viel schwieriger als BeraterIn, mit diesem Ansatz, wo man eben nichts geschenkt bekommt, sowohl die Partnerorganisation als auch die Bäuerinnen und Bauern zu überzeugen.
HORIZONT3000 und ich standen da schon einige Zeit als Einzelgänger da, aber mittlerweile ist YARD in ihrem Distrikt (Bezirk) die führende Organisation in der ländlichen Entwicklung. Heute kommen große Player wie World Vision zu YARD und wollen wissen, wie das funktioniert, dass man ohne Geben so etwas zustande bringt. Dass die Menschen auch zu Fortbildungen und Versammlungen kommen, obwohl es kein Taggeld, keine Reisekostenerstattung und keine Mahlzeit gibt. Diese großen Player wollen das auch so machen, wissen aber nicht wie. Daher kommen sie zu YARD um den ERI-Ansatz zu lernen. – Eine großartige Sache!
Es gibt immer wieder KritikerInnen, die sagen, der Personaleinsatz ist teuer. Es wäre doch günstiger, die Partnerorganisation YARD nur mit Geld zu vesorgen …
Lilo Massing: Natürlich gibt es Kritik und die ist auch gerechtfertigt. Ich finde das auch gut, denn man muss seine Arbeit ja immer auch hinterfragen. Nicht alles ist sinnvoll, was wir machen. Aber: Ein Personaleinsatz bei einer kleinen Organisation wie YARD, die rund zehn MitarbeiterInnen hat, ist sehr effektiv. Ich meine, die größte Wirkung eines Personaleinsatzes erzielt man in kleineren Organisationen wie YARD. Ich wurde vor sechs Jahren, als ich mich für die Stelle bei YARD beworben hatte, auch gefragt, ob ich nicht im ugandischen Bauernverband auf nationaler Ebene arbeiten will, da es so schien, als wäre ich für YARD überqualifiziert. Ich sah das aber genau umgekehrt: Gerade YARD brauchte eine EZA-erfahrende Person. Ich denke auch – und das hat sich gezeigt -, dass kleinere ländliche Organisatione eher bereit sind, Beratungen von außen anzunehmen.
Wie ging es dir bei den Systematisierungen?
Lilo Massing: Die Systematisierung, was ja eine Reflektion über die eigene Arbeit ist, um herauszufinden, warum Dinge so gelaufen sind und nicht anders und dann daraus Schlüsse zu ziehen, wie man es das nächste Mal besser machen kann, empfinde ich als eine tolle Methode. Ein wenig aufwändig, daher muss man im Vorfeld wissen, was es einem bringt. Es muss vor dem Einsatz der Methode immer klärende Gespräche geben, damit man nicht mit falschen Vorstellungen in die Sache geht. Diejenigen Organisationen, die ich bei einer Systematisierung begleitet habe, empfanden das Ergebnis dann immer als sehr gut. Klar, nicht immer ist eine Systematisierung sinnvoll, aber gerade in der EZA, wo man kaum Zeit hat, über sein eigenes Tun zu reflektieren, ist die Methode sehr hilfreich. Das Ergebnis sieht manches Mal klein oder unbedeutend aus, aber der ganze Prozess ist für viele eine ganz große Bereicherung.
Vielen Dank für das Interview und Alles Gute für die Zukunft!