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Friedl Grünberg verstorben – Forscherin, Aktivistin, Freundin


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Wenn Friedl Grünberg zu HORIZONT3000 ins Büro kam, tat sie es leise und ohne die Erwartung einer besonderen Aufmerksamkeit. Trotzdem war ihre Präsenz sofort spürbar: Ihre Energie verbreitete sich wie die eines Tagesanbruchs.

Die profilierte Ethnologin hatte es nie nötig, ihr Wissen marktschreierisch anzupreisen. Ihre vielseitige Kompetenz vermochte in jedem Gespräch, jedem gemeinsamen Projekt zu überzeugen. Reflektiert und besonnen, leise und doch kämpferisch für die Rechte der Guaraní, widmete sie sich ihren Forschungsarbeiten, Lehraufträgen und Projekten in Südamerika. Längst bevor es Mainstream wurde, betonte sie die fragile Balance zwischen Ökologie, Gender und globaler Wirtschaft für ein gutes Leben aller.

Aus einer Reise in den südlichen Mato Grosso, Brasilien schreibt sie: „Ich fahre hier stundenlang mit dem Bus quer durch den Bundesstaat. Rechts und links der Straße eine unendliche Fläche von Weideland, dicht bedeckt mit importierten Gräsern, verstreute Rinderherden, Soyafelder, und ich denke ständig: ’Hier war alles Wald, hier war alles Wald…‘ Damals lebten 25.000 Guarani völlig an die subtropische Vegetation angepasst. Jagen und das Sammeln von Früchten waren wichtige Nahrungsquellen. Jetzt sind die Böden ausgelaugt, mit Weidegräsern bedeckt. Frauen und Männer leben dicht zusammengedrängt in kleinen Reservaten und wehren sich gegen ihre unverschuldete Verelendung.“

Friedl Grünberg kannte die Guaraní wie wenige andere. Sie hat sie jahrzehntelang in ihrem Kampf gegen Vertreibung, Menschenrechtsverletzung und Verelendung unterstützt. Sie sprach die Sprache der Guaraní, die sich mit ihren Mythen, Gedichten und Gesängen bedankten[1].

Über viele Jahre teilte Friedl Grünberg ihr vielschichtiges Wissen mit Fachkräften von HORIZONT3000 (zuvor ÖED und IIZ), die mit Fachvorträgen und praktischen Übungen auf ihren Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit vorbereitet wurden. Friedl wies sie in Grundkenntnisse der Ethologie Südamerikas ein und begegnete manchen von ihnen als Konsulentin oder Evaluatorin von Entwicklungsprojekten im Feld wieder.

Auch Projektreferent:innen und Bereichsleitungen von HORIZONT3000 schätzten den Umgang mit Friedl außerordentlich. So begierig wie wir ihr Wissen und ihren Rat aufsogen, so geduldig nahm uns Friedl oft unsere Zweifel und unseren Frust ab, den verzwickte Projekte und lähmende Bürokratie verursachten. Sie hörte zu und schaute uns dabei in die Seele.

Schmerzlich getroffen von der Nachricht ihres Todes, aber in der Gewissheit, dass sie in den Himmel kommt, verabschieden wir uns von einer begabten Forscherin, engagierten Aktivistin und lieben Freundin.


[1] Auf der Suche nach dem Land ohne Übel. Die Welt der Guarani-Indianer Südamerikas. (1995)

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